Gegen den langjährigen ehemaligen Geschäftsführer der Deutschen Parkinson Vereinigung besteht der Verdacht, dass er über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte eine siebenstellige Summe veruntreute. Aktuell liegen den mit der Untersuchung beauftragten Anwaltskanzleien Belege aus den letzten zehn Jahren vor, die zeigen, wie er – mutmaßlich mit Hilfe seiner Assistentin – systematisch und heimlich Gelder der Vereinigung veruntreute. Dabei spielten ihm strukturelle Schwächen des Vereins in die Karten. Die seit 16. Juni 2023 neue Vorsitzende mahnte daher auf der heutigen Delegiertenversammlung dringend Reformen an.
Die Delegierten der Deutschen Parkinson Vereinigung Bundesverband e.V. (dPV) tagen aktuell auf ihrer jährlichen Delegierten-Versammlung in Kassel. Die Selbsthilfevereinigung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Lebensumstände von Parkinson-Patienten und deren Partnern zu verbessern. Doch es scheint so, als ob der langjährige Geschäftsführer Millionensummen in die eigene Tasche wirtschaftete und nahestehenden Personen hohe Summen ohne Gegenleistung zukommen ließ. Schon in der Vergangenheit gab es teilweise massive Vorwürfe gegen den Geschäftsführer aus den eigenen Reihen. Doch erst ein vertraulicher Hinweis auf ein ominöses, bis dahin unbekanntes Schattenkonto der dPV löste Ermittlungen aus. Diese ergaben, dass die bisherigen Vorwürfe nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein dürften. Das Schattenkonto war im Jahr 2007 vom ehemaligen Geschäftsführer eingerichtet worden und blieb lange Jahre unentdeckt. In den Jahresabschlüssen des Vereins fand es keine Erwähnung und auch der Vorstand dürfte keine Kenntnis gehabt haben.
Vermeintliche Betrugs- und Untreuetaten mit hoher krimineller Energie
Auf Betreiben des ehemaligen Geschäftsführers wurden mehrere hohe Erbschaften, die der dPV für gemeinnützige Zwecke zugewendet wurden, auf das Schattenkonto eingezahlt. Ein Großteil dieser Gelder wurde jedoch nicht für diese Zwecke verwendet, sondern vom ehemaligen Geschäftsführer am Geldautomaten oder Bankschalter bar abgehoben. Im Zeitraum 2013 bis 2022 erleichterte er das Konto der dPV auf diese Weise um mehr als 1,5 Millionen Euro. Die einzelnen Bargeldabhebungen am Schalter beliefen sich teilweise auf mittlere bis hohe fünfstellige Beträge. Dies alles geschah in unmittelbar räumlicher Nähe zu der Geschäftsstelle des dPV in Neuss. Außerdem überwies der ehemalige Geschäftsführer von diesem Konto in zwei Fällen jeweils hohe fünfstellige Summen auf ein Konto der Assistentin. Im August 2022 löste der ehemalige Geschäftsführer das Schattenkonto auf. „Die Kontounterlagen legen nahe, dass der Geschäftsführer und seine Assistentin über Jahre eine hohe kriminelle Energie an den Tag legten, um sich an den Geldern des Vereins zu bereichern“, erläutert Dr. Sabrina von Rüden, Rechtsanwältin und Partnerin bei der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltskanzlei Ganteführer.
Strafanzeige in Vorbereitung
Wie es scheint, beließen die beiden es nicht dabei: Sie bauten über Jahre ein System der Vetternwirtschaft auf, das es ihnen erlaubte, Verwandte mit Geldern des Vereins zu begünstigen. So legen die Unterlagen und Zeugenaussagen nahe, dass die beiden beim Verein Scheinarbeitsverhältnisse für drei Verwandte der Assistentin einrichteten. Einer dieser Verwandten erhielt zusätzlich zu seinem Arbeitslohn für eine Vollzeitstelle bei der dPV als externer IT-Dienstleister jährlich sechsstellige Beträge, deren Rechtfertigung noch im Einzelnen geprüft wird.
Nach aktuellem Stand steht die Höhe der Vergütung augenscheinlich weder in einem Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Leistungen noch zur Größe und den Aufgaben des Vereins. Nach dem altersbedingten Ausscheiden des Geschäftsführers und seiner Assistentin zum 30. Juni dieses Jahres, stellte der Verein fest, dass umfangreiche Unterlagen in der Geschäftsstelle in Neuss beiseitegeschafft und Daten gelöscht wurden. In der Gesamtschau deutet dies deutlich auf einen Versuch systematischer Vertuschung hin. „Wir untersuchen mit Hochdruck die im Raum stehenden Vorwürfe mithilfe spezialisierter Anwaltskanzleien. Bisher sind wir allerdings nur auf die Spitze des Eisbergs gestoßen. Aufgrund der umfangreichen Beweisvernichtungen und der Tatsache, dass wir praktisch täglich neue Anhaltspunkte für mögliche Straftaten entdecken, werden wir die gesamten Ermittlungen sicherlich erst zum Jahresende abschließen können. Eine fundierte Strafanzeige wollen wir nun zügig auf den Weg bringen“, erläutert die neue Vereinsvorsitzende Tina Siedhoff.
Vereinsvorsitzende Tina Siedhoff mahnt Reformen an
Das offensichtlich kriminelle Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers und seiner Assistentin ist aus Sicht der Anwälte möglich gewesen, weil hinreichende Kontrollen der Geschäftsführung fehlten. Außerdem erteilte die damalige Vereinsvorsitzende im Jahr 2005 dem ehemaligen Geschäftsführer die Vollmacht, eigenständig Bankkonten für den Verein einzurichten und zu verwalten. Dies widerspricht dem Grundsatz des 4-Augen-Prinzips. Im Jahr 2010 waren erstmals Vorwürfe gegen den Geschäftsführer öffentlich gemacht worden. Damals sah die Staatsanwaltschaft Düsseldorf jedoch keinen hinreichenden Anfangsverdacht, um gegen den Geschäftsführer zu ermitteln. „Für unseren Verein hätte dies damals ein Weckruf sein sollen, um unsere Strukturen zu modernisieren, Richtlinien und Regeln einzuführen, und die Einnahmen und Ausgaben transparent offen zu legen“, sagt die aktuelle Vereinsvorsitzende Tina Siedhoff. „Außerdem zeigte sich schon damals, dass wir einen viel zu hohen Anteil unserer Einnahmen für die Verwaltung unseres Vereins ausgeben. Unser Ziel muss es sein, dass der überwiegende Anteil unserer Einnahmen Parkinson-Erkrankten und ihren Partnern sowie der medizinischen Erforschung der Krankheit zugutekommen.“ Die Vereinsvorsitzende Siedhoff will mittels der beauftragten Fachanwälte bis Ende des Jahres alle strafrechtlichen und zivilrechtlichen Tatbestände, sowie die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Aspekte vollständig aufgearbeitet haben. „Unser Ziel ist es, die Auswirkungen des Millionenschadens für den Verein so klein wie möglich zu halten und die unterschiedlichen Verantwortlichen entsprechend in Haftung zu nehmen“, so Siedhoff. Zusätzlich plant die Vorsitzende, bis ins erste Quartal 2024 strukturelle Reformen beim dPV auf den Weg zu bringen. Diese sollen den Anforderungen an Mitglieder des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen entsprechen. „Mittelfristig sollten wir uns um ein Spendensiegel des DZI bemühen, um uns als Spenden- und Selbsthilfeorganisation so transparent wie möglich aufzustellen. Nur so können wir verlorenes Vertrauen wiedererlangen.“ Nach aktuellem Stand der Ermittlungen müssen sich Spenderinnen und Spender keine Sorgen machen: Die steuerliche Abzugsfähigkeit für in der Vergangenheit geleistete Spenden bleibt erhalten.
Kontakt: presse@dpv-bundesverband.de